![Manfred Igelbrink, Bezirksbürgermeister Münster-Nord beim Neujahrsempfang der BV-Nord 2014]()
Manfred Igelbrink, Bezirksbürgermeister Münster-Nord beim Neujahrsempfang der BV-Nord 2014
Am heutigen Sonntag, den 26. Januar 2014, fand der traditionelle Neujahrsempfang der Bezirksvertretung Münster-Nord (BV-Nord) statt. Über 100 Bürger aus Münsters Norden folgten der Einladung, das neue politische Jahr zu begrüßen.
Aufgrund der Vorfälle um die Gewalttat an der Kristiansandstraße, hielt Bezirksbürgermeister Igelbrink in diesem Jahr eine etwas andere Neujahrsansprache. In diesem Jahr gab es keinen klassischen Jahresrückblick oder einen Blick in die Zukunft, sondern Gedanken zu einigen grundsätzlichen Dingen wie:
- Schnelllebigkeit und Beschleunigung unserer Zeit,
- Perfektionsdruck,
- Hyperaktivität,
- Erwartungen an uns selbst, die Erwartungen anderer.
Auch lobte er das Bürgerengagement in dem Stadtbezirk Münster-Nord. Für das musikalische Programm sorgte die Band Rock and Rolfs der Westfälischen Schule für Musik.
Für unsere Leser, die die Neujahrsansprache unseres Bezirksbürgermeisters Manfred Igelbrink nicht hören konnten, stellen wir die Rede zum Lesen nachfolgend online. Wir Danken Herrn Igelbrink für die Überlassung seiner Rede zur Veröffentlichung.
Neujahrsansprache Bezirksbürgermeister Manfred Igelbrink
“Schon wieder ist ein neues Jahr – dabei hätte das alte doch noch für Monate gereicht!”
Ich kann diese Aussage eines unbekannten Autors nur bestätigen. Ich weiß nicht, wie Sie es empfunden haben, aber für mich ist das Jahr 2013 rasend schnell vergangen. Liegt es daran, dass die Welt sich durch das Internet und unsere modernen Kommunikationsmittel gefühlsmäßig schneller dreht? Das Lebenstempo hat sich in den letzten zweihundert Jahren mindestens verdoppelt. Das Phänomen “Zeit” ist allgegenwärtig – gerade beim Jahreswechsel.
In diesem Sinne heiße ich Sie alle – auch im Namen der gesamtem Bezirksvertretung Münster-Nord – sehr herzlich in der Meerswiese zu unserem traditionellen Neujahrsempfang willkommen.
Ich freue mich, dass Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind, um im Kreise vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger gemeinsam in das neue Jahr 2014 zu starten. Es liegt mir sehr viel an diesem öffentlichen Empfang, der vor allem auch eine Gelegenheit für gute und interessante Gespräche und einen regen Austausch über unseren Stadtbezirk bieten soll.
Besonders bedanken möchte ich mich bei Frau Haak und ihrem Team für die tolle Organisation.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, zu einem Neujahrsempfang gehören normalerweise zwei Blicke unabdingbar dazu:
- Der Rückblick auf das vergangene Jahr,
- und der Blick in die Zukunft.
Doch in diesem Jahr möchte ich eine etwas andere Neujahrsansprache halten, konnten Sie doch meine Würdigung zu den aktuellen Themen der Stadtteile Coerde, Kinderhaus und Sprakel bereits der WN und der MZ entnehmen. Aber besonders die Vorfälle um die Gewalttat an der Kristiansandstraße haben dazu geführt, dass ich heute nicht einfach zur Tagesordnung übergehen konnte, vielmehr möchte ich Ihnen meine Gedanken zu eineigen grundsätzlichen Dingen mitteilen, die mir um den Jahreswechsel gekommen sind.
Eingangs habe ich von der Schnelllebigkeit und Beschleunigung unserer Zeit gesprochen. Fast alles ist heutzutage darauf ausgerichtet, schneller, weiter, besser zu sein. Das übertragt sich natürlich auch auf das Leben eines jeden Einzelnen.
Wie viel Bedeutung kann der Mensch in Zukunft eigentlich noch ertragen?
Was sind die Folgen dieser Entwicklung? Wir sind einer Informationsflut, neuen Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten, Anforderungen und Veränderungen in Arbeit, Freizeit und Kommunikation ausgesetzt. Die derzeitige Angebotsflut im Konsum-, Medien-, und Unterhaltungsbereich hat sicher viele Beschäftigungen attraktiver gemacht, den Konsumenten zugleich aber ein hohes Maß an Stress und Hektik beschert. Es geht fast gar nicht mehr darum, ob die vielen Informationen überhaupt noch aufgenommen werden können.
Wer muss sich durch Hyperaktivität beweisen? Warum gibt es den Zwang, mithalten zu müssen, länger zu arbeiten als vereinbart, “total” engagiert zu sein?
Von der Gesellschaft bekommt man vorgespielt, dass man etwas verpassen würde oder nicht mehr auf der Höhe der Zeit wäre, sollte man sich eine Pause gönnen und sich nicht anpassen.
Ich lese derzeit ein Buch von Margot Käßmann, Margot Käßmann beschäftigt sich in ihrem Buch “Mehr als ja und amen – doch, wir können die Welt verbessern” auch mit diesem Thema und berichtet zum Beispiel von einer Frau, deren Ehe daran gescheitert sei, da sie dem Perfektionsdruck ihres Mannes nicht entsprechen konnte. Das heißt, auch das Aussehen und das Beziehungsleben werden zum Stressfaktor; selbst dort soll alles perfekt laufen:
richtige Figur, entsprechende Kleidung, sportlich sein, gebildet, Zeitung lesen, perfekte Hausfrau oder perfekter Hausmann sein, mithalten können, interessant sein im Kollegenkreis – dafür reichen 24 Stunden am Tag eigentlich nicht. auf diese Weise entsteht Dauererschöpfung. Und manche müssen sich eingestehen: “Ich kann einfach nicht mehr”.
Die Erwartungen an uns selbst, die Erwartungen anderer, die wir spüren, können auch zur Überlastung führen, die dann gar nichts mehr möglich macht. Das betrifft unser persönliches und berufliches Umfeld, aber auch gesellschaftspolitische Entscheidungen. Wer meint, alles “political correct” erledigen zu können, wird scheitern. Niemand von uns kann die Welt allein grundlegend verändern. Aber wir können bremsen und schauen, was wir mit unserem Leben erreichen wollen.
Mit folgendem Auszug aus einem Zitat vom 14. Dalai Lama möchte ich sie ein wenig zum Nachdenken anregen:
Wir haben größere Häuser aber kleinere Familien;
mehr Annehmlichkeiten, aber wenig Zeit.
Wir haben mehr Diplome aber weniger Verstand;
mehr Wissen aber weniger Urteilsvermögen;
eine bessere Medezin aber eine schlechtere Gesundheit.
Wir sind den ganzen Weg bis zum Mond und wieder zurück gereist,
aber wir haben Schwierigkeiten, die Straße zu überqueren,
um unsere neuen Nachbarn zu begrüßen.
Wir haben bessere Computer entwickelt,
die immer mehr Informationen speichern können,
um mehr Kopien zu erzeugen, denn je zuvor,
aber wir kommunizieren weniger.
Wir sind weit gekommen in Sachen Quantität
aber nicht in Qualität.
Es ist eine Zeit vom hastigem Essen,
aber langsamer Verdauung;
großer Menschen aber von kleinem Charakter;
riesiger Gewinne aber von oberflächlichen Beziehungen.
Es ist eine Zeit in der viel im Schaufenster ist,
aber nichts im Zimmer.
Lassen Sie mich noch einmal aus dem Buch von Margot Käßmann über das Thema Ungerechtigkeit zitieren.
Ist es nicht “ungerecht, dass eine gut verdienende Mutter das volle Kindergeld erhält, es bei einer arbeitslosen Mutter aber komplett auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet wird. Ungerecht, dass Frauen in unserem Land im Durchschnitt 22 Prozent weniger verdienen als Männer. Ungerecht, dass Kinder aus armen Familien in der Regel einen schlechteren Schulabschluss machen als Kinder aus reichen Familien. Ungerecht, dass der Vorstandsvorsitzende von VW 2011 über 17,4 Millionen Euro verdient hat, davon 11 Millionen Euro als Bonuszahlung. ’17,4 Millionen Euro, das sind umgerechnet rund 2.000 Euro pro Stunde – 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag.’ Eine gute ausgebildete Erzieherin hat dagegen nur ein Monatsgehalt con 2200 Euro – un erfüllt eine so wichtige Aufgabe!” Zitat-Ende.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich komme zum Schluss:
Unser Gesellschaft, unsere Kommune ist auf Menschen angewiesen, die sich für ihr Umfeld verantwortlich fühlen und aktiv werden. Politik und Verwaltung einer Stadt brauchen das Engagement der in ihr lebenden und wirkenden Bürger und Unternehmen. Mir ist bewusst, dass es in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist, dass sich Bürger für ihre Stadt einbringen. Ich bin daher sehr froh, dass es gerade in unserem Stadtbezirk so viel Bürgerengagement gibt. Vieles von dem, was zur Lebensqualität unserer Kommune gehört, basiert auf Initiativen und dem Engagement der hier lebenden Menschen. Die BV Nord möchte mit dem Neujahrsempfang heute allen herzlich danken, die ihre Tatkraft, ihre Ideen und ihre Energie in karitativen Organisationen oder Vereinen, in der Nachbarschaftshilfe oder im Kultur- und Sportsponsoring für unseren Stadtbezirk einbringen. Sie alle tragen damit viel zu einem guten Zusammenleben bei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
schöpfen wir also aus unserem vielfältigen Gemeinschafts- und Vereinsleben heraus die Kraft und die Leidenschaft, gemeinsam unsere Stadtteile liebens- und lebenswert zu erhalten und weiter zu gestalten. Jeder Einzelne kann auf seine Weise seinen Beitrag dazu leisten.
Ihnen allen wünsche ich von Herzen ein gesegnetes, gesundes und erfülltes Jahr 2014.
Nun freue ich mich, mit Ihnen gemeinsam auf das jahr 2014 anzustoßen und in lockerer Runde auszutauschen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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